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Aerial Yoga®

Mai 2018 I Timur Misirlioglu

Eine Body & Mind-Ebene inmitten von Pinienbäumen, gebaut an einem kleinen Berghang mit einem atemberaubenden Blick aufs Meer und das im warmen Klima der ägäischen Küste in der Türkei – die Body & Mind-Ebene des ROBINSON Clubs Sarigerme Park. Dies war der Ort, an dem ich das erste Mal in meinem Leben fliegen lernte. Es war unglaublich schön – aber zugegeben anfangs auch etwas schmerzhaft, doch dazu etwas später – dieses Gefühl von Freiheit, dieses Gefühl von Nichts ist unmöglich, diese Gefühle, die am Ende über mich kamen. Sicher hat der traumhafte Ort auch seinen Teil dazu beigetragen, aber was mich am Ende wirklich bewegte, war dieses Konzept, von dem ich euch erzählen möchte und welche Erfahrung ich gerne mit euch allen teilen möchte. Dazu erstmal ein paar Fakten.

Aerial Yoga ist ein Trainingskonzept, das seinen Ursprung in der Tuchakrobatik findet. Ein Tuch hängt wie eine grosse Schlaufe oder eine Hängematte (so auch der Name im englischen Sprachgebrauch «Hammock») von der Decke und dient als Trainingsgerät, in dem man sich stehend, sitzend, liegend und vor allem darin «hängend» bewegen kann. Einer der ersten Lehrer, der ein solches Konzept auf den Markt gebracht haben, war der Amerikaner Christopher Harrison. Der Choreograf und Tänzer, der selbst sehr geübt war in der Tuchakrobatik brachte Elemente aus den Bereichen Yoga, Pilates und Tanz mit der Kunst, sich am Tuch zu bewegen, zusammen und entwickelte sein Programm AntiGravity ® Yoga, das eine eingetragene Marke ist. Mittlerweile gibt es das Training in den Aerial Tüchern unter vielen Namen, von Air Yoga, Fly Yoga bis zur gängigsten Bezeichnung Aerial Yoga. Die Idee ist jedoch immer die Gleiche: Durch das Tuch ist es scheinbar möglich, die Schwerkraft ausser Kraft zu setzen. Positionen, die unter normalen physikalischen Gesetzen grösster Anstrengung bedürfen würden, sind im Tuch entlastend, unterstützt und somit wohltuend. Vor allem in Umkehrhaltungen, das heisst in Positionen, in denen wir mit dem Kopf nach unten hängen, werden Wirbelsäule und andere Gelenke, die in unserem Alltag einen Großteil des Körpergewichts tragen müssen, entlastet. Ein vergleichbares Konzept gibt es auf dem Fitness- und Gesundheitsmarkt nicht wirklich.

Die Möglichkeiten scheinen fast unbegrenzt. Zudem wird nur mit dem eigenen Körpergewicht im Tuch trainiert, wodurch unsere Muskulatur schnelle Erfolge erzielen kann. Somit kommen in dieser besonderen Trainingsform viele Prinzipien zur Geltung, die wir aus den verschiedensten Körpertrainingskonzepten kennen, u. a. Kraft, Mobilität, Flexibilität, Koordination, Körperausrichtung sowie ganz bestimmt Körperwahrnehmung, wie auch Konzentration und Achtsamkeit. Was dieses Bewegungskonzept aber vor allem ausmacht sind folgende Prinzipien:

  • Vertrauen
  • Leichtigkeit
  • Loslassen
  • Freude

Vertrauen vor allem, da der Mensch es normalerweise nicht gewohnt ist sich trotz Schwerkraft schwebend über dem Boden zu befinden, geschweige denn zu bewegen, daher ist am Anfang erstmal der Aufbau von Grundvertrauen entscheidend, zum einen gegenüber dem Tuch und seinem Material, den Übungen und Kunststückchen und auch in Hinsicht auf die Kompetenz des Trainers. Leichtigkeit im Sinne von etwas spielerisch zu entdecken, neugierig zu sein und alles so anzunehmen wie es ist. Ohne eine Wertung, ohne falschen Ehrgeiz, eher beschwingt durch die Möglichkeiten und die dadurch erlebte Freiheit, die man bekommt. Loslassen von alten bzw. bekannten Bewegungsmustern und damit auch loslassen von Ängsten und Bedenken, die uns oftmals daran hindern weiter zu kommen – im Training, beim Erreichen unserer Ziele, aber vor Allem in unserem Leben. Freude daran zu haben, etwas Neues und so Spezielles zu erleben und Dinge zu tun, die wir im Alltag und auch im Umfeld unserer Gesellschaft oftmals gar nicht mehr wagen würden, wie z. B. zu schaukeln oder unmögliche Positionen einzunehmen. Es ist, als würde man das Kind in sich wiederentdecken.

Diese Werte habe ich damals in meinem ersten Training erfahren dürfen und gebe sie auch stets so weiter, da ich am eigenen Körper erlebt habe wie beflügelnd – im wahrsten Sinne des Wortes – es sich für das eigene Training auswirkt. Und die Ausschüttung von Glückshormonen bzw. Adrenalin wollen wir ja nicht vergessen, daher ein paar Eindrücke bzw. Gedanken eines ersten Trainings und was es für einen Spass bereitet:

  • Sitzend im Tuch die Balance finden obwohl man garkeinen Halt hat, und man erstmal nur damit beschäftigt ist nicht rauszufallen – kein Ding, wird schon gut gehen.
  • Schaukeln, schwingen, schweben und das ohne Netz und doppelten Boden – man denkt an ganz andere Dinge als den Boden.
  • Ein Spagat im Tuch zu machen, auch wenn es sich so anfühlt, als würde man diesen nie mehr verlassen – so cool.
  • Sich in das Tuch lehnen, obwohl anfangs der Stoff in den Körper drückt, auf Grund mangelnder Körperspannung – learning by doing.
  • Den ganzen Körper aus eigener Kraft hochziehen und mit den Füßen den Boden verlassen, auch wenn es anfangs nur genau einmal geht und danach keine Kraft mehr da ist – easy, Trinkpause.
  • Sich im Tuch auf den Kopf drehen und irgendwie eingeknotet sein um freischwebend zu hängen – der absolute Wahnsinn – können wir das bitte nochmal machen?!
  • Es ist wie mit etwas zum Naschen, wenn man einmal auf den Geschmack gekommen ist, will man immer mehr davon, und so konnte ich nicht genug bekommen davon.

Seit fünf Jahren unterrichte ich dieses geniale Konzept schon und entdecke immer wieder neue Dinge, wie schon gesagt scheint es keine Grenzen zu geben. Als ich dann mein erstes Ausbildungsskript schrieb, um Schulungen in dieser Trainingsmethode zu geben, wurde mir noch bewusster wie vielseitig das Konzept mit der Hängematte ist. Es können viele bekannte Übungen aus dem Yoga und dem Pilates mit dem Tuch ausgeführt werden und bekommen eine ganz andere Wirkung dadurch. Eine Stunde kann sehr kraftvoll und dynamisch ausgerichtet sein, aber auch fliessend und mobilisierend, um ganz harmonisch den Körper durch zu bewegen. Eine Stunde kann spielerisch und sehr akrobatisch sein, eine andere Stunde kann entspannend und beruhigend sein. So vielseitig wie die unterschiedlichen Bedürfnisse eines jeden von uns sind, so vielseitig kann eine Einheit Aerial Yoga sein und das entscheidende dabei ist: «Alles kann, nichts muss!» Jeder kann selbst entscheiden, wie weit die Übungen mitgemacht werden und wenn etwas einmal nicht möglich ist, ist einfach nur im Tuch sitzen oder liegen und entspannen eine wundervolle Alternative. Denn spätestens am Ende einer Einheit werden alle für ihre Mühe, Überwindung und Anstrengung belohnt, wenn man einfach nur die «Seele baumeln lassen darf!»

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